Die Weihnachtskrippe des Wonl Beck – eine kleine Familiengeschichte von Matthias Metka

Die Krippe des Wonl Beck aus Graslitz - eine kleine Familiengeschichte, Text und Foto: Matthias Metka
Die Krippe des Wonl Beck aus Graslitz - eine kleine Familiengeschichte, Text und Foto: Matthias Metka
Die Weihnachtskrippe des Wonl Beck aus Graslitz, Foto (c) Matthias Metka

Die Krippe des Wonl Beck aus Graslitz – eine kleine Familiengeschichte von Matthias Metka

Immer wenn sie von ihr sprach, bekam sie feuchte Augen. Die vorweihnachtliche Zeit war geprägt durch Besinnung und der Erinnerung an ihre Kindheitstage in der Heimat, dem Erzgebirge.

Auch wenn sie schon den überwiegenden Teil ihres Lebens in Hessen wohnte und sich dort auch gut integrierte, zu ihrer Heimat war Hessen aber nicht geworden, ist dort niemals so richtig angekommen, verblieben ihre Gedanken doch im geliebten Graslitz.

Meine Großmutter Marie Glaßl, geborene Meinlschmidt, hatte am 24. September 1906 als Tochter und Erstgeborene des Johann Meinlschmidt, selbstständiger Bäckermeister in der Graslitzer Feldgasse 791, und der Emilie, geborene Ernstberger, dass Licht der Welt erblickt. Dort hatte die Wonl Marie, wie ihr Hausname war, als „Große“ der Meinlschmidts auch eine wohlbehütete Kindheit mit ihren beiden Schwestern Leni und Anna erleben dürfen.

Schon als Kind hatte mir Oma immer wieder die alten Geschichten erzählt, die sie gedanklich wieder in die Zeit zurück brachte, in eine Zeit, die sicher nicht einfach war, aber irgendwie schöner. Dazu Beigetragen hat wohl der Zusammenhalt der Menschen und die Pflege von Sitten und Gebräuchen des böhmischen Erzgebirges, was sie nun doch sehr vermisste.

Zu der Vorweihnachtszeit gehörte da auch das Aufstellen und Herrichten der Krippe dazu, dass durch Urgroßvater und den befreundeten Männern aus der Nachbarschaft regelrecht zelebriert wurde und Frauen da keinen Zugang hatten, wie ich berichtet bekam. Was wohl der Grund dafür war? Auf jeden Fall muss die „Herr-Schaftliche Krippenschau“ wohl lustig geendet haben!

Urgroßvater hatte schon früh damit angefangen, diese Krippe durch den Kauf von Figuren jedes Jahr zu erweitern. Erworben hatte er diese Figuren von einem Schnitzer aus Königsberg bei Eger, die ersten Figuren stammen wohl aus der Zeit um 1899, leider ist eine noch vorhandene und mit der Hand geschriebene Rechnung nicht datiert.

Bei der Vertreibung verblieb diese Krippe mit insgesamt 60 Figuren in der Tschechei und konnte nur dadurch gerettet werden, dass meine Großtante Anna Deistler mit ihrem Mann Anton und meinen Urgroßeltern nicht ausgewiesen wurden.

Anton Deistler war Musikinstrumentenbauer, seine Spezialität waren Gitarren, was dazu führte, dass man ihn und die Familie nicht ausreisen ließ, bzw. nicht deportierte. Sie lebten alle zusammen in Schönbach, wo meine Urgroßeltern 1950, bzw. 1968, verstarben. Nachdem mein Großonkel das Rentenalter erreichte, durften er und meine Großtante Anna in die Bundesrepublik ausreisen. Bei der Ausreise hatten sie auch die Krippenfiguren im Gepäck, die zur Weihnachtszeit einen schönen Platz in deren Zuhause in Erlangen erhielten. Die dazu gehörige Kastenkrippe verblieb leider in Tschechien.

Meiner Großmutter gefiel es nicht, dass die Krippe im Besitz ihrer Schwester verblieb, zumal das Ehepaar Deistler kinderlos war und die Gefahr bestand, dass die Krippe später raus in den Besitz eines jungen Mann hätte kommen können, an den Anna und Anton als zukünftigen Erben Gefallen fanden. Auf jeden Fall hatten sich die beiden Schwestern – die mittlere Schwester Leni war bereits mit 18 Jahren in Graslitz verstorben – zerstritten wegen der Krippe und zu Lebzeiten kein einziges Wort mehr miteinander gewechselt.

Mitte der 80er Jahre erhielt meine Mutter einen Anruf von Anna, die auch ihre Patentante war und zu der sie auch immer einen guten und engen Kontakt hielt. Sie bekam berichtet, dass es einen Interessenten für die Krippenfiguren gäbe, der viel Geld dafür geboten hätte und die Figuren unbedingt haben wollte. Großtante Anna wollte die Figuren verkaufen und das Geld meiner Mutter schenken, was Mutter vehement ablehnte und darauf bestand, dass die Figuren auch weiterhin im Familienbesitz verbleiben sollten, was auch, Gott sei Dank, der Fall werden sollte. Nach dem Tode meiner Großmutter im Jahr 1995 bekam meine Mutter dann die Figuren von Großtante Anna bei einem Besuch geschenkt, leider war es meiner Großmutter nicht gegönnt, ihre geliebte Krippe noch einmal zu sehen.

Um die Figuren zur Weihnachtszeit entsprechend präsentieren zu können, baute ich eine Krippenlandschaft, die dann in den Folgejahren zur Weihnachtszeit einen Platz in Mutters Wohnzimmer erhielt und jedes Jahr erneut durch Familie und Freunde bestaunt wurde.

Nach ihrem 85. Geburtstag entschloss sich meine Mutter, die Krippe an mich weiterzugeben, heute ist sie im Besitz meiner Tochter.

Diese kleine Geschichte soll daran erinnern, wieviel Freud, aber auch Leid mit den kleinen Figuren verbunden sind, die sich schon seit über 100 Jahre im Familienbesitz befinden.

Quelle: Text und Bild von Matthias Metka

https://www.facebook.com/matthias.metka

Das könnte dich auch interessieren …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert