Reichenberg in Böhmen – Entstehen und Vergehen einer deutschen Stadt

Reichenberg Wappen
Reichenberg Wappen

Wenn in wenigen Tagen in Liberec die Nordische Ski-WM beginnt, dann besuchen Sportler aus der ganzen Welt eine Stadt in der Tschechischen Republik. Aber Reichenberg, wie die Stadt bis 1945 hieß, hat eine deutsche Geschichte. „Über diese deutsche Geschichte der Stadt Reichenberg/Liberec sollten die Sportler informiert sein, bevor sie sich in den Skistadien rund um die Stadt unter dem Jeschken auf Medaillenjagd begeben“, sagt Klaus Hoffmann, Vorsitzender des Heimatkreis Reichenberg mit Sitz in Augsburg.

Der Name „richenberk“ erscheint erstmals 1352 in einem Verzeichnis des Papstzehnts für eine Siedlung in der Kreuzung von Handelsstraßen im Norden Böhmens.
Nach der Zerstörung des „Stettchin Richenberg“ durch die Hussiten bewirkten die Adelsgeschlechter der Bibersteiner und der Redern einen Aufschwung, der zum Bau einer ersten Kirche führte. 1577 erhielt die Siedlung im Neissetal ein Stadtwappen, ein grosses und ein kleines Stadtsiegel und durfte jährlich 2 Märkte abhalten.1583 wurde ein Schloss errichtet, dem 1603 ein Rathaus folgte.

Mit Leinweberei und Tuchmacherei begann im 17. Jahrhundert die Blütezeit der Stadt.
Unter der Herrschaft des kaiserlichen Oberbefehlshabers Wallenstein wurde 1630 mit dem Bau der Neustadt begonnen.
Mit der Übernahme der Herrschaft Friedland-Reichenberg-Grafenstein-Lämberg durch das Geschlecht der Clam-Gallas erreichte das alte Reichenberg seine höchste Blüte und zählte in der Mitte des 19. Jh. 18.000 Einwohner.

1848 hörte die Geschichte der Stadt auf, eine Geschichte der Herrschaftsbesitzer zu sein.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts ist Reichenberg die wirtschaftlich bedeutendste Stadt Böhmens nach Prag und ein Handels- und Gewerbezentrum der Donauaumonarchie.

Die Strebsamkeit und der Fleiss seiner Bewohner führten zur Errichtung einer grossen Zahl repräsentativer Bauten, wobei man bewusst der Kaiserstadt Wien nacheifern wollte. Um die Wende zum 20. Jahrhundert lebten in der Stadt 31.000 Einwohner, davon 28.000 deutsche; der Anteil der Tschechen betrug 5%.

1906 zeigte die deutsche Bevölkerung in der „Deutschböhmischen Ausstellung“ eindrucksvoll aller Welt die Wirtschaftskraft der seit 6 Jahrhunderten ansässigen Bewohner. 1906 wurde auch die Baude des „Gebirgsvereins für das Jeschken- und Isergebirge“ auf dem Hausberg Jeschken eröffnet, die 1964 abbrannte und durch ein Bauwerk aus Eisen und Beton ersetzt wurde.

Als Folge des Ersten Weltkrieges wurde die Donaumonarchie zerschlagen, die Deutschen in Böhmen wurden entgegen ihrem erklärten Willen der neugegründeten Republik Tschechoslowakei einverleibt.

1938 kamen 3,5 Millionen Deutsche und die von ihnen bewohnten Gebiete aufgrund der Entscheidung der Grossmächte („Münchner Abkommen“) zum Deutschen Reich, das sie in noch grössere Unfreiheit und in den folgenschweren Zweiten Weltkrieg führte.

Nach Kriegsende wurden nahezu alle Deutschen aus ihrer angestammten Heimat Böhmen ausgewiesen.
So kam es dazu, dass die Geschichte der deutschen Stadt Reichenberg nach 600 Jahren endete: über Jahrhunderte lange Nachbarn übernahmen alles und führten es in 40 Jahren Kommunismus einem bitteren Ende zu, das nach dessen Zusammenbruch mit eigener Kraft und westlicher Hilfe, aber mit Gleichgültigkeit gegenüber den deutschböhmischen Wurzeln zu neuer Blüte führen soll.

Seit 1945 trägt die Stadt den traditionellen tschechischen Namen „Liberec“, (nach „liberk“, wie die Tschechen Reichenberg schon im Mittelalter genannt hatten).

In der Patenstadt der Reichenberger, Augsburg, kündet der „Reichenberger Brunnen“ vor der Kongresshalle von der einstigen Stadt Reichenberg unter dem Jeschken und dem Schicksal der Stadt und ihrer deutschen Bewohner.

Reichenberg lebt weiter in der Erinnerung der im „Heimatkreis Reichenberg“ e.V. verbundenen Landsleute, seinen Publikationen, wie dem „Reichenberger Heimatblatt“ und dem „Jeschken-Iser-Jahrbuch“, den zahlreichen örtlichen Gruppierungen (Gilden) und den heimatbezogenen Gemeindebetreuungen.


Heimatkreis Reichenberg Stadt und Land e.V.
Konrad-Adenauer-Allee 39
86150 Augsburg
Telefon: 0821-312707
Fax: 0821-155103l
www.reichenberg.de


Der „Heimatkreis Reichenberg e.V.“ ist ein eingetragener Verein mit Sitz in Augsburg, Bayern, und arbeitet als Heimatgliederung in der Sudetendeutschen Landsmannschaft mit.
Patenstadt der ehemaligen Bewohner aus Stadt und Landkreis Reichenberg ist seit 1955 Augsburg. Der Heimatkreis wird von einem gewählten, ehrenamtlich tätigen Vorstand und vom Kreisrat vertreten.
40 Gemeindebetreuer führen Ortskarteien und sorgen sich um den Zusammenhalt der ehemaligen Bewohner ihrer Städte und Dörfer. Sie organisieren Treffen und besuchen ihre Heimat.

In mehr als 30 Orten Deutschlands und Österreichs bestehen „Reichenberger Gilden“; das sind die regionalen Zusammenschlüsse zur Pflege der Zusammengehörigkeit und kulturellen Tradition.
Der Heimatkreis unterhält in Augsburg eine Geschäftsstelle mit Bücherei, Archiv und Ausstellungsräumen (Reichenberger Heimatstube) in der Konrad-Adenauer-Allee 39.
Dort werden auch die Personenkartei und eine EDV-Anschriftenkartei geführt. Anfragen werden erledigt, Auskünfte erteilt, das umfangreiche Aktenmaterial verwaltet.
Der Heimatkreis Reichenberg e.V. unterstützt die Gemeindebetreuer bei ihrer Arbeit, veranstaltet für die Mitarbeiter Tagungen und Seminare und organisiert das in zweijährigem Abstand stattfindende große „Reichenberger Bundestreffen“. Er führt „Reichenberger Jugendwochen“ und politische Bildungsreisen durch, vergibt Ehrungen für verdiente Mitarbeiter und sorgt für die Darstellung seiner Arbeit in der Presse.

Zu den kulturellen Aufgaben gehören u.a. die Herausgabe von Heimatbüchern, das monatliche Mitteilungsblatt „Reichenberger Heimatblatt“ und das „Jeschken-Iser-Jahrbuch“.
In der Geschäftsstelle wird eine Heimatdokumentation aufgebaut und durch Übernahme von Nachlässen ständig erweitert. Der Heimatkreis pflegt die Patenschaft mit der Stadt Augsburg und unterstützt die Städte Kratzau, Liebenau und Christofsgrund im Landkreis bei der Pflege ihrer Patenschaften mit Eichstätt, Königsbrunn und Blaubeuren. Seit 2001 ist er auch Stiftungsmitglied der Stiftung Isergebirgsmuseum in Neugablonz.
Er unterstützt die „Sektion Reichenberg“ im Österreichischen Alpenverein für den Erhalt der „Neue Reichenberger Hütte“ in Osttirol.
Die Mitarbeiter des Heimatkreises leisten unentgeltliche, ehrenamtliche Arbeit. Allein durch freiwillige Spenden, die von den Landsleuten aus Reichenberg – Stadt und Land – gegeben werden, ist es möglich, die Kosten für diese umfangreichen Aufgaben zu erbringen.
Der Heimatkreis Reichenberg e.V. ist vom Finanzamt Augsburg für die Förderung der Heimatpflege ermächtigt, für alle Zuwendungen Spendenbescheinigungen auszustellen.

Die Vertriebenen aus dem Bezirk Reichenberg haben sich in allen Teilen der Bundesrepublik Deutschland und Österreichs, überwiegend aber in Süddeutschland, niedergelassen.
Sie haben sich maßgeblich am Wiederaufbau nach dem Krieg und der politischen und wirtschaftlichen Neugestaltung beteiligt und pflegen Kultur und Brauchtum ihrer Herkunftsheimat.
Heimatliebe und das Bekenntnis zu den Werten von Freiheit und Recht sind die Triebfeder für die Teilnahme an großen und kleinen Treffen.

Im Rathaus der Patenstadt Augsburg zeugen Glasfenster des Sudetendeutschen Künstlers Victor Eichler, vor der Kongreßhalle ein von Dr. Ing. Egon Hartmann geschaffener „Reichenberger Brunnen“ und im Stadtratssaal ein repräsentativer Wandteppich mit Reichenberger und Augsburger Motiven vom Schaffen unserer Landsleute.

Seit der Überwindung des Kommunismus in der CSFR unterstützt der Heimatkreis mit Hilfe der Bundesregierung, des Freistaates Bayern und einer privaten Düsseldorfer Stiftung die noch in Reichenberg, dem heutigen Liberec, lebenden Landsleute. Nach der Vertreibung von rund 130.000 Deutschen aus dieser Region in Nordböhmen leben heute noch ca. 3.000 bis 4.000 Deutsche in Reichenberg und Umgebung.
Sie haben sich im „Verband der Deutschen – Region Reichenberg/Liberec“ zusammengeschlossen.
Ein eigenes Kulturzentrum, bestehend aus mehreren Geschäftsräumen, einer Bibliothek und einem Vortragssaal, konnte eingerichtet werden.
Mit Spenden wurden deutsche Bibliotheken für die Abteilung des deutschen Zweiges am Tschechischen Gymnasium, im deutschen Kulturzentrum, bei sieben Kindergärten und an der Pädagogischen Fakultät der Hochschule ausgestattet.
Ein Altenwohnheim ist erstellt worden.
Ein eigener Jugendclub und Kindergruppen konnten vom „Verband der Deutschen“ gegründet werden.
Auf Anregung des Heimatkreises fanden Begegnungen zwischen den Repräsentanten der beiden Städte Reichenberg/Liberec und Augsburg mit dem Ziel statt, daß daraus eine Partnerschaft entstehen könnte.
Auf Anregung des Heimatkreises wurden seit 1991 sieben Deutsch-Tschechische Kulturwochen und vier Seminare mit tschechischen Bürgermeistern und Persönlichkeiten durchgeführt und die Anregung für eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit gemacht. Heute ist die „Euroregion Neisse“ zwischen Sachsen, Niederschlesien (Polen) und Reichenberg/Liberec Wirklichkeit.

Der Heimatkreis Reichenberg e.V. hält nicht nur enge Verbindung zu den Landsleuten in der alten Heimat, sondern auch zu den demokratischen Kräften in dieser Region Nordböhmens. Er will mit seiner Arbeit einen Beitrag zu einem auf Demokratie, Freiheit, Recht und Wahrheit aufgebauten partnerschaftlichen Leben zwischen Deutschen und Tschechen leisten.

Quelle: Pressemitteilung des „Heimatkreis Stadt und Landkreis Reichenberg e.V.“ vom 19.02.2009

Diese Pressemeldung wurde auf openPR veröffentlicht.

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