Die Elster-Fabrik in Schmiedeberg (Böhmen) — von der Gründung bis heute
Zusammengestellt von Margarete Elster geb. Schneider im August 2014, nach folgenden Quellen:
— Ein Artikel in einer Tschechischen Zeitung vom 12. April 1968 anläßlich des 100jährigen Bestehens der Firma Elster, übersetzt von Adelinde Anton geb. Schierl.
— Die Schmiedeberger Chronik von 1923,
— Eigene Gespräche mit ehemaligen Mitarbeitern der Fabrik und Familienangehörigen.
— Informationen von Dr. Jaroslav Kloub, Heimatforscher in Kovářská.
Mein Mann, Anton Richard Rudolf Elster, geb. am 14.10.1939, Sohn des letzten Besitzers der Elsterfabrik Richard Elster und Enkel des Gründers Anton Elster, und ich waren Anfang Juli 2014 wieder einmal in Schmiedeberg. Der Anlaß war weniger schön, wir hatten erfahren, daß an einigen historischen Gruften Zerstörungen passiert waren und wollten uns dieser Sache annehmen. Die Schäden an der Elstergruft waren gering, aber die Erinnerung umso lebendiger. Auf dem Friedhof ist der Name Elster noch zu lesen und in der Kirche auf der historischen Glocke, die im Eingang ausgestellt ist als Zeugin der Vergangenheit.
Nicht zu vergessen aber auch: In den Herzen und in den Erzählungen der Menschen. Ich bin immer wieder berührt, wenn ich höre: „Beim Elster“, So reifte in mir die Idee, die Geschichte dieser Fabrik bis in unsere Zeit aufzuschreiben.
Vieles ist den Schmiedebergern bekannt, vieles kann in der Chronik nachgelesen werden, aber auch die neuere Entwicklung ist bemerkenswert und dokumentiert auch ein Stück Industriegeschichte des oberen Erzgebirges.
Auf dem Gelände der Elsterfabrik bestand zunächst eine Drahtfabrik, gegründet von Adalbert Elster im 19. Jahrhundert.
Sein Sohn Anton übernahm sie im Jahre 1868 gegen eine jährliche Zahlung von 200 Gulden an seinen Vater. Das war der Ursprung der Zwirnfabrik. Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner, Franz Schröter, stellte er zunächst hölzerne Spindeln her. Schon nach einem Jahr übernahm er die Fabrik als Alleinunternehmer, er stellte Arbeiter ein und die Fertigung von Garnen begann. Die Erzeugnisse haben sich gut verkauft. Die Nachfrage nach Zwirnen und Kerzendochten war so groß, daß die Kapazität schon bald nicht mehr ausreichte. Eine neue Fabrik wurde 1872 gebaut und mit eisernen Maschi-nen ausgestattet, die eine wesentlich größere Kapazität hatten als ihre hölzernen Vorgänger. Eine neue Färberei errichtet.
So fanden auch immer mehr Menschen sichere Arbeitsplätze in der Elsterfabrik.
Die Errichtung der Eisenbahnlinie im Jahr 1872 war ein weiterer Fortschritt, der neue Aufträge brachte und zur Expansion beitrug. So wurden die Erzeugnisse der Zwirnfabrik in vielen Ländern, besonders der Donaumonarchie, bekannt.
Es mußten weitere und modernere Maschinen angeschafft werden, ebenso mußte in die Energieversorgung investiert werden.
Eine neue größere Turbine mit einer Leistung von 35 PS wurde 1893 in Betrieb genommen. Ein Teich von 20.000 qm Größe wurde angelegt zum Antreiben der Turbine und als Wasserreservoir.
Im Jahr 1906 kaufte Anton Elster eine nahegelegene alte Mühle dazu und stellte eine weitere Turbine auf. Da brannte zum ersten Mal elektrisches Licht in Schmiede-berg. Die Gasturbinen wurden nun durch elektrischen Strom abgelöst, der aus Wasserkraft entstand. Überschüssiger Strom wurde an die Gemeinde verkauft.
Diese Umstellung war die letzte Aktion von Anton Elster. Er starb 1909 und seine Söhne Richard und Paul führten den Betrieb weiter und konnten ihn aufgrund guter Auftrags-lage stetig vergrößern. Mit dem Betrieb wuchs auch die Gemeinde Schmiedeberg auf über 4.500 Einwohner.
Feuer! Am Nachmittag des 4. Juni 1912 brannten das Hauptgebäude und zwei Wohnhäuser innerhalb von vier Stunden ab. Die Produktion ging in der Färberei in beengten Verhältnissen weiter. Aber die Auftragsbücher waren voll. So wurde noch im selben Jahr ein neuer vergrößerter Betrieb aufgebaut. Und ein Jahr später lief die Produktion in einem modernen großen Gebäude aus mit Zentralheizung und elektrischen Installationen.
Im Ersten Weltkrieg produzierte die Fabrik weiter, konnte sich aber aufgrund der politischen Lage nicht mehr vergrößern. Aber die Zwirn- und Garnherstellung, besonders für die Lederwarenindustrie, hatte einen guten Namen und nach dem Ersten Weltkrieg lieferte die Elsterfabrik in alle europäischen Länder. Ebenso überstand die Firma auch den Zweiten Weltkrieg mit einer gesunden Auftragslage und Liefer-verträgen in ganz Europa.
Das Kriegsende 1945 brachte dann den zweiten großen, durch die Politik verur-sachten, Einschnitt.
Die Deutschen wurden vertrieben, auch die beiden Brüder Richard und Paul Elster. Richard Elster wurde nach der Enteignung aus seinem Haus gewiesen und mußte noch ein Jahr in beengten Wohnverhältnissen für sich und seine Familie seine Nachfolger in die Garnherstellung und alle Arbeits-vorgänge der Fabrik einweisen und dann wurde auch er ausgewiesen.
Die meisten Geschäftsverbindungen waren durch die Grenze, die Europa in Ost und West teilte, abgerissen, es gab kaum Roh-material und die qualifizierten Beschäf-tigten waren vertrieben.
1948 wurde die Fabrik Mitglied der Genossenschaft der Wollhersteller, später fiel sie dem Nationalunternehmen „Cotona“ zu und schließlich wurde sie in Staats-eigentum „Sponit‘“ umgewandelt.
1958 schloß sich die Fabrik dem „Benaru“ an. In dieser Zeit wurde der Schuhzwirn für die gesamte Tschechoslowakei in der Elsterfabrik hergestellt, die Produktion belief sich auf 283 Tonnen per Anno und wuchs nicht mehr, man befürchtete die Schließung.
Aber die Arbeiter steigerten ihre Leistung und kämpften für ihre Arbeitsplätze, die Auftragsbücher füllten sich und mit neuen
Maschinen wurde wieder in zwei Schichten gearbeitet. Es gab große Pläne, manche wurden verwirklicht, eine neue KesselhalJe und eine Wasserreinigungsanlage ent-standen Anfang der 60er Jahre. So feierte man mit der Belegschaft 1968 das 100jährige Bestehen der Firma.
Mit der Ausreisewelle im Rahmen des Prager Frühlings verlor die Fabrik erneut einen nicht unerheblichen Teil ihrer Arbeiter und neue Fachkräfte mußten angelernt werden. Die Belegschaft pendelte sich bei rund 130 Arbeitsplätzen ein, eine nicht unerhebliche Zahl im oberen Erzgebirge.
So arbeitete die Zwirnfabrik immer noch mit vollen Auftragsbüchern in den Jahrzehnten bis zur Wende. In Kovarska war es immer noch die „Elsterfabrik“ oder „beim Elster“.
Nach der Wende glaubten die Menschen an einen weiteren Aufschwung, denn noch immer war die Auftragslage optimal und die Menschen hatten sichere Arbeitsplätze.
Ein westdeutscher Garnhersteller kaufte die Elsterfabrik und investierte in neue Maschinen und den Menschen wurden große Hoffnungen gemacht. Das 130jährige Bestehen der Firma wurde groß gefeiert, wir als Nachkommen der ehemaligen Besitzer waren eingeladen. Die Menschen waren glücklich, daß ihre Arbeitsplätze sicher schienen. Doch diese Sicherheit war nur von kurzer Dauer, bald gab es Gerüchte, die Fabrik würde schließen, da die Garnproduktion zu teuer geworden sei. Schließlich wurde es zur Gewißheit.
Der westdeutsche Unternehmer hatte langfristig kein Interesse am Erhalt der Arbeitsplätze, er hatte die Fabrik als Abschreibungsobjekt gebraucht und zog bald weiter nach Osten, wo Arbeitskräfte billiger waren.
Zum ersten Mal nach fast 140 Jahren stand die Elsterfabrik leer.
So blieb es über mehrere Jahre. Aber in den letzten fünf Jahren geschah ein kleines Wunder. Die Gebäude der alten Fabrik strahlen in neuem Glanz. Es wird zwar kein Garn mehr hergestellt, aber ein Investor hat die Gebäude übernommen und ist dabei, einen kleinen Gewerbepark anzusiedeln.
Wir wünschen ihm Glück und Erfolg dabei.
Mit herzlichen Grüßen
Anton und Margarete Elster
Lesen Sie auch den Nachruf auf Anton Elster, geb. 14.10.1939, gest. 12.07.2024